Hochschule Reutlingen

Innovative passive und aktive Implantate

 

Bei einer Schwerhörigkeit, die durch eine Pathologie des Mittelohrs hervorgerufen wird, kann oft eine chirurgische Rekonstruktion wieder Hören ermöglichen. Neben passiven Mittelohrimplantaten, z.B. Steigbügelprothesen, gewinnen in den letzten Jahren aktive Implantate, die im Gegensatz zu passiven Implantaten eine zusätzliche Energieversorgung benötigen, zunehmend an Bedeutung. Aktive Mittelohrimplantate können wieder ein Hören ermöglichen, wenn eine passive Rekonstruktion der Knöchelchenkette nicht ausreicht oder nicht möglich ist.

Zusammen mit Partnern aus der Klinik und der Industrie ist die hiesige Arbeitsgruppe in der Entwicklung von passiven und aktiven Implantaten tätig. Ziel der Forschungsaktivitäten ist eine aus mechanischer Sicht optimale Gestaltung im Hinblick auf die Erregung des Gehörs.

Entscheidend für die Funktion eines Implantats ist die Ankopplung an die jeweilige natürliche Struktur. In der Koppelstelle müssen sehr kleine physiologische Druckvariationen verzerrungsfrei übertragen werden können. Daneben soll der Kontakt auch bei vergleichsweise großen quasistatischen Druckschwankungen erhalten bleiben. Forschungsfragen stehen häufig in Zusammenhang mit der mechanischen Ankopplung am Trommelfell, der Ossikel und dem inneren mechanischen Aufbau der Implanate sowie der Reduktion des abgestrahlten Schalls in den Ohrkanal. Durch den Aufbau von Finite Elemente Modellen, Validierungsmessungen und Optimierungen im virtuellen Modellraum können höhere Verstärkungsleistungen, optimierte Energiebedarfe sowie eine verbesserte Klangtreue z.B. durch Verzicht auf aktive  Rückkopplungsalgorithmen erreicht werden.

Zur experimentellen Untersuchung von passiven Mittelohrprothesen steht ein Labor mit unterschiedlichen Messständen zur Verfügung. In statischen Kraft-Verschiebungs-Messungen können beispielsweise die Klemmkraft oder die räumlichen Applikationskräfte erfasst werden. Dynamische Messungen mittels Laser-Vibrometrie erlauben die Analyse der Kopplungseigenschaften und deren Einfluss auf das Übertragungsverhalten.

In Europa wird noch in diesem Jahrhundert erwartet, dass ungefähr 30% aller Bürger eine Hörgeräteversorgung bedürfen. Unter den bisherigen Hörgeräteträgern herrscht jedoch eine große Unzufriedenheit über die konventionellen Hörgeräte mit akustischer Anregung. Aus Umfragen sind Gründe wie das "Pfeiffen im Ohr", der Okklusionseffekt ("Meine Stimme klingt komisch"), eine mangelhafte Klangqualität durch Verzerrungen, der Stigmatisierungseffekt und mehr bekannt.

Eines der aktuellen Forschungsprojekte beschäftigt sich mit der Hörkontaktlinse von Vibrosonic GmbH. Diese hat das Potential einen Quantensprung in der Hörgeräteversorgung zu erreichen. Nicht umsonst erhielt Vibrosonic 2018 den Mannheimer Existenzgründungspreis „Mexi“ für besonders erfolgversprechende StartUps. Die HKL wird mit Mitteln der Mikrosystemtechnik (engl. MEMS) gefertigt und ist so klein, dass sie direkt auf dem Trommelfell platziert und getragen werden kann. Sie ist von außen praktisch unsichtbar. Bei der Hörkontaktlinse wird der Lautsprecher konventioneller Hörgeräte durch einen neuartigen Piezo-Aktor ersetzt, der Frequenzen bis zu 16.000 Hertz übertragen kann. Gewöhnliche Hörgeräte erreichen üblicherweise Frequenzen von 6.000 bis 8.000 Hertz. So ist die Hörkontaktlinse in der Lage, hohe Töne zu verstärken, die wichtig für das Richtungshören und das Sprachverstehen im Allgemeinen, insbesondere aber im Störgeräusch oder komplexeren Hörsituationen sind.

Projektfinanzierung

 

 

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